LEBENSZEICHEN – Ostergruß der Chorleiterin und der Vorsitzenden

Seit einem Jahr ist gemeinsames Singen und Musizieren infolge der Pandemie
massiv eingeschränkt bis unmöglich. Was macht das mit uns?
Erfahrungsbericht der Chorleiterin

„Wie geht’s?“

Schon wieder wird über eine Lockdown-Verlängerung, eine Verschärfung der Regeln oder ähnliches verhandelt…. Ich habe mich zwar dareingefunden, mich in Geduld zu üben und dass ich meine Sängerinnen und Sänger noch ein Weilchen nicht sehen und hören kann, aber es schlaucht mich – trotz allem Verständnis für die Situation und die Pandemie-Lage.

Singen am Bildschirm mit verschiedenen zur Verfügung stehenden Angeboten finde ich anstrengend: Gegen den Rechner singen zu müssen macht mir keinen Spaß. Mir fehlt die akustische Rückmeldung, die direkte Resonanz, die Energie der Gruppe im Raum.

Für fast alle ist es schwierig, alleine zu Hause zu singen. Es ersetzt nicht die lebendige Gemeinschaft in der Präsenzprobe. Man kann eine Konzert-CD einlegen und mitsingen, aber es macht oft noch trauriger, weil alleine singen sich nicht gleichwertig „schön und erfüllend“ anfühlt wie in der Gruppe.

Ich frage mich: Was ist, wenn wir ein weiteres Jahr nicht live singen dürfen? In welchem Zustand werden meine Chöre „danach“ sein und vor Allem: Wann ist danach? Wie geht es den Sängern? Sind sie noch im Corona-Winterschlaf, haben sie sich andere Hobbies gesucht oder in welcher Lebenssituation befinden sie sich durch Corona?
Zur heiteren Gemütslage trägt auch nicht die Abwertung des Laienmusizierens als bloße Freizeitbeschäftigung, mithin als entbehrlich, bei. Es besteht faktisch Berufsausübungsverbot, weil keine Konzerte und Proben erlaubt sind. Wird gesamtgesellschaftlich wertgeschätzt, was LeiterInnen in Chören, beim Tanz, im Orchester usw. leisten für die kulturelle Bildung, den Zusammenhalt, das soziale Miteinander? Zumal sie im Laienbereich meist schlecht abgesichert auf Honorarbasis arbeiten.

Von den Menschen, mit denen ich singe und deren leitenden Gremien fühle ich mich wertgeschätzt, das trägt mich durch die Krise. Aber es gibt so etwas wie eine Stigmatisierung des Singens. Selbst im Sommer, als Präsenzproben möglich waren, wurden manche meiner SängerInnen im Job unter Druck gesetzt: „Du gehst doch wohl nicht zum Chor, jetzt, wo die Zahlen wieder steigen“ oder ähnliches… Andere sind aus Sorge vor Ansteckung nicht gekommen. Wir hatten Hygienekonzepte geschrieben und umgesetzt, größere Räume gesucht, Gruppen verkleinert, gelüftet und Abstand gehalten… Das war und ist anstrengend, trotz des verantwortungsvollen Verhaltens der ChorsängerInnen.

Mitunter werde ich traurig. Wir haben aufgrund mangelnden techn. Know-hows nicht die Möglichkeit, auf digitale Proben umzusteigen. In Telefonaten höre ich von Einsamkeit, vom Gefühl, dass alles zerbröselt, von Energielosigkeit, Traurigkeit über fehlende Proben und Gemeinschaft. Es gibt schwere Erkrankungen und Todesfälle, die wir sonst im Chorleben begleitet hätten. Die Leute fehlen einander und sie fehlen mir! Es gibt aber eine Sache, die mir Hoffnung macht, abgesehen von der Impfung: Ich erlebe, dass es Bereiche gibt, die sich nicht digitalisieren lassen und ich hoffe, dass wir dies alle miteinander merken und in Zukunft mehr zu schätzen und zu würdigen wissen.
Das Bedürfnis, sich gemeinsam einzuschwingen in die Musik, in Gefühle, die im Raum zu greifen sind, ist zutiefst menschlich. Und so werden die Musik, die Chöre und auch alle anderen Künste wieder aufleben. Und dann werden wir das Leben feiern.
Ich freue mich darauf!

Herzlichst Anita

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